Fische haben keine Beine by Stefánsson Jón Kalman

Autor:Stefánsson, Jón Kalman [Stefánsson, Jón Kalman]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492970273
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-04-22T16:00:00+00:00

Keflavík

– HEUTE –

Was wissen wir in Wahrheit schon von der Welt – es werden einige echte Schlager vorgetragen

Dezemberabend über Keflavík.

Ich hatte die Reisetaschen zu einem Verwandten von Ari gebracht, der in einem kleinen, zweistöckigen Holzhaus im ältesten Teil Keflavíks lebte, allein mit seinen beiden Katzen. Er hatte sich auch einmal einen Hamster angeschafft, aber die Katzen hatten ihn gefressen; danach kam ein lebhafter Papagei, und die Katzen machten auch ihm den Garaus, weil sie Angst vor ihm hatten. Sie haben sein Krächzen einfach nicht ausgehalten, erklärte mir der Verwandte, den wir Onkel nannten, als ich die Taschen auf einen kleinen Tisch in dem Zimmer legte, in dem ich übernachten sollte, und strich gedankenverloren über den Vogelkäfig, von dem er sich nicht trennen mochte. Die Katzen standen auf der Schwelle und ließen mich nicht aus ihren gelben Augen, fluchten sicher, weil ich nicht so leicht abzumurksen war wie der Hamster und der arme Vogel.

Sie sind mir gute Gesellschaft, sagte der Onkel, als wollte er die Grausamkeit in den gelben Augen entschuldigen. Er hatte den Kühlschrank mit allerlei Essbarem gefüllt und obendrein drei Sixpacks Bier gekauft. Ich sollte mich nach Belieben bedienen. Dann tranken wir im Wohnzimmer Kaffee, es gab Marmorkuchen aus der Bäckerei, er erkundigte sich nach Ari und nach Þóra. Ich habe nie begriffen, warum die beiden sich getrennt haben, sagte er und seufzte tief. Sein Wohnzimmer ist gemütlich, eine große, alte Standuhr füllt eine Ecke aus. Solche großen, alten Uhren sieht man heutzutage nicht mehr oft, und das ist schade, sie tickte so bedächtig, dass ich das Gefühl bekam, mich nie wieder beeilen zu müssen. Zwei massive Bücherschränke tragen ebenfalls zur ruhigen Behaglichkeit bei, sie sind voller familiengeschichtlicher und historischer Bücher, nur auf dem Weg durchs Zimmer muss man vorsichtig sein und den Kopf einziehen: An dünnen Fäden hängen achtzehn große Flugzeugmodelle von der Decke und erfüllen das Zimmer mit ihren lautlosen Flügen, 175 Zentimeter über dem Fußboden, was um einiges über der Stehhöhe des Onkels liegt; es sind Modelle von Kampfflugzeugen der U.S. Air Force von Anbeginn bis heute. Ich wich Fragen nach Aris Leben aus, was hätte ich auch sagen sollen und was sollte ich erklären können, fragte stattdessen ihn nach den Modellflugzeugen, und er vergaß daraufhin alles andere, sein Kaffee wurde kalt, wurde in der Tasse mit Blümchenmuster zu kühler Dunkelheit, während er mit Begeisterung, ja Leidenschaft von den Leistungen jedes Flugzeugtyps erzählte, in welchem Krieg sie zum Einsatz gekommen waren und wann ihr Stern aufgegangen war. Das waren seine Worte. Wann ihr Stern aufging, wann sie sich einen Namen gemacht hatten und zur Legende wurden unter Militärs und solchen, denen die Schönheit von Modellflugzeugen aufgegangen war. Dabei fiel mir wieder ein, wie sich der vorherige Abend über diesen seltsamen Ort gesenkt hatte, der hinter der Welt liegt, weit weg von allem, was uns vertraut ist, obwohl sich auf einer platten Fläche oberhalb von ihm der internationale Flughafen ausbreitet und die alten Trockengestelle unter seinem Asphalt begräbt. Der Abend war gekommen, hatte die Fensterscheiben mit seinem

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